Die Themen für den Bundeswettbewerb 2009

Zu einem der vier Zitate war ein Essay zu schreiben:

1.
Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt. Unser Leben ist ebenso endlos, wie unser Gesichtsfeld grenzenlos ist.

Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, 6.4311

2.
Schließlich stellt das apokalyptische Potential der Technik - ihre Fähigkeit, den Fortbestand der Menschengattung zu gefährden oder deren genetische Unversehrtheit zu verderben oder sie willkürlich zu ändern oder gar die Bedingungen höheren Lebens auf der Erde zu zerstören - die metaphysische Frage, [...] ob und warum es eine Menschheit geben soll; warum daher der Mensch so, wie ihn die Evolution hervorgebracht hat, erhalten bleiben, sein genetisches Erbe respektiert werden soll; ja, warum es überhaupt Leben geben soll?

Hans Jonas: Festvortrag: Technik, Ethik und Biogenetische Kunst. In: Rainer Flöhl (Hrsg.): Genforschung - Fluch oder Segen? München 1984

3.
Die Lüge also, bloß als vorsätzlich unwahre Deklaration gegen einen andern Menschen definiert, bedarf nicht des Zusatzes, daß sie einem anderen schaden müsse; wie die Juristen es zu ihrer Definition verlangen [...]. Denn sie schadet jederzeit einem anderen, wenn gleich nicht einem andern Menschen, doch der Menschheit überhaupt, indem sie die Rechtsquelle unbrauchbar macht.

Immanuel Kant: Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen. Werke Band 7. Hrsg. von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1956, 637-643

4.
Wenn unser Moralkodex einen willkürlichen Unterschied zwischen Menschen und allen anderen Spezies macht, dann gründet sich dieser Kodex auf nackte Selbstsucht ohne jedes höhere Prinzip. Wenn unser Kodex statt dessen diese Unterschiede mit unserer überlegenen Intelligenz, unserer hochentwickelten Sozialstruktur und unserer Fähigkeit, Schmerzen zu empfinden, begründet, dann wird es schwierig, einen Alles-oder-Nichts-Kodex zu verteidigen, der eine Trennlinie zwischen allen Menschen und allen Tieren zieht. Statt dessen sollten unterschiedliche ethische Einschränkungen für Versuche an unterschiedlichen Spezies gelten. Vielleicht ist es nur nackte Selbstsucht, die in einer neuen Verkleidung auftritt, wenn sie den Tierspezies Sonderrechte einräumen will, die uns genetisch am nächsten sind. Geht man aber von den Faktoren aus, die ich gerade erwähnt habe, von der Intelligenz, den sozialen Beziehungen und so weiter, dann kann man objektiv begründen, dass Schimpansen und Gorillas eher einen Anspruch darauf haben, moralisch berücksichtigt zu werden, als Insekten und Bakterien.

Jared Diamond: Der dritte Schimpanse. In: Paola Cavalieri und Peter Singer (Hrsg.): Menschenrechte für die großen Menschenaffen. München 1994, S.156

Die Themen für den Landeswettbewerb 2008/09

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Zu einem der vier Zitate ist ein Essay zu schreiben:

1.
Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Sokrates

2.
"... alles, was, außer dem guten Lebenswandel, der Mensch noch tun zu können vermeint, um Gott wohlgefällig zu werden, ist bloßer Religionswahn und Afterdienst Gottes."

Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Stuttgart 1974, S. 225

3.
"Kann man Liebe haben? Wenn man das könnte wäre Liebe ein Ding, eine Substanz, mithin etwas, das man haben und besitzen kann. Die Wahrheit ist, daß es kein solches Ding wie ,Liebe’ gibt. ,Liebe’ ist eine Abstraktion; [...]. In der Wirklichkeit gibt es nur den Akt des Liebens. Lieben ist ein produktives Tätigsein, [...]. Was als Liebe bezeichnet wird, ist meist ein Mißbrauch des Wortes, um zu verschleiern, daß in Wirklichkeit nicht geliebt wird."

Erich Fromm: Haben oder Sein. Stuttgart 1996, 17. Auflage, S. 52

4.
"Die Frage, was wir aus unserem Leben machen sollten, ist nicht damit gelöst, daß man uns mit Tätigkeitsdrang in die Welt hinausjagt und uns nicht zur Besinnung kommen läßt."

Albert Schweitzer: Gesammelte Werke in fünf Bänden. Band 2, München 1974, S. 371