Die Themen für den Bundeswettbewerb

Zu einem der vier Zitate ist ein Essay zu schreiben:

1.
[… ] Es gibt manche so teilnehmend gestimmte Seelen, daß sie […] ein inneres Vergnügen daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an der Zufriedenheit anderer, so fern sie ihr Werk ist, ergötzen können. Aber ich behaupte, daß in solchem Falle dergleichen Handlung, […] so liebenswürdig sie auch ist, keinen wahren sittlichen Wert habe …
Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Werke in zwölf Bänden. Band 7, Frankfurt am Main 1977, S. 18 f.

Ist ein liebenswürdiges Verhalten „unmoralisch“?

2.
Wir sind invertierte Utopisten. Dies also das Grund-Dilemma unseres Zeitalters: Wir sind kleiner als wir selbst, nämlich unfähig, uns von dem von uns selbst Gemachten ein Bild zu machen. Insofern sind wir invertierte Utopisten: während Utopisten dasjenige, was sie sich vorstellen, nicht herstellen können, können wir uns dasjenige, was wir herstellen, nicht vorstellen.
Günther Anders: Die atomare Drohung. Radikale Überlegungen zum atomaren Zeitalter. 1972, S. 93

3.
Die Kunst ist das Widerständige: sie widersteht dem Tod, der Knechtschaft, der Schändlichkeit, der Schmach.
Gilles Deleuze: Unterhandlungen 1972-1990; Frankfurt am Main, 1993, S. 249

4.
Das Wissen, das nicht mit dem Leben verschmelzen und es auch nicht tiefgreifend verändern kann, breitet sich auf der Oberfläche unterschiedslos in alle Richtungen aus und verkürzt die Zeit des Austausches von Wissen auf ein Minimum. Das ist Information: Wissen ist nicht mehr etwas, was man austauscht, es ist bereits gleichzeitig auf beiden Seiten vorhanden. Es geht nur noch hin und her. Und das gleiche lässt sich auch von der Kommunikation sagen … „Es“ kommuniziert, wie man so schön sagt: es ist eine Art einziges, unpersönliches Verfahren, ein einziger Schaltkreis, eine undifferenzierte Operation, wo weder Zeit noch Raum da ist, damit die Differenzierung der Subjekte stattfinden kann. Es muss möglichst schnell, sofort geschehen, damit es gut kommuniziert. Insbesondere gibt es keine Zeit für Stille. Stille ist aus der Kommunikation ausgeschlossen. Sie ist von den Bildschirmen der Fernsehapparate ausgeschlossen.“
Jean Baudrillard: Paradoxe Kommunikation. Bern: Benteli, 1989, 22 f.


Die Themen für den Landeswettbewerb

Zu einem der vier Zitate ist ein Essay zu schreiben:

1.
Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.
Jean-Paul Sartre, Drei Essays. Ist der Existentialismus ein Humanismus, Frankfurt 1979, S. 16

2.
Wahrhaft ethisch ist der Mensch nur, wenn er der Nötigung gehorcht, allem Leben, dem er beistehen kann, zu helfen und sich scheut, irgendetwas Lebendigem Schaden zu tun. Er fragt nicht, inwiefern dieses oder jenes Leben als wertvoll Anteilnahme verdient oder auch nicht, ob und inwieweit es noch empfindungsfähig ist. Das Leben als solches ist ihm heilig. Er reißt kein Blatt vom Baume ab, bricht keine Blume und hat Acht, dass er kein Insekt zertritt …
Albert Schweitzer, Kultur und Ethik, München 1972, S. 331

3.
Jede Wahrheit tritt zuerst als Irrlehre in die Welt, denn die Welt ist immer von gestern.
Egon Friedell, Steinbruch. Vermischte Meinungen und Sprüche. Wien, 1922. S. 23

4.
Wie der Mensch denkt, wie er gesinnt ist, so ist sein Gott: So viel Wert der Mensch hat, so viel Wert und nicht mehr hat sein Gott. Das Bewusstsein Gottes ist das Selbstbe-wusstsein des Menschen, die Erkenntnis Gottes die Selbsterkenntnis des Menschen. Aus seinem Gotte erkennst du den Menschen, und wiederum aus dem Menschen sei-nen Gott; beides ist eins. Was dem Menschen Gott ist, das ist sein Geist, seine Seele, und was des Menschen Geist, seine Seele, sein Herz, das ist sein Gott. Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen.
Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Christentums, Stuttgart 1994, S. 51f