Bericht vom 17. Philosophicum Lech

„Das Ich ist unrettbar“, meinte schon vor mehr als 100 Jahren der österreichische Philosoph Ernst Mach und läutete mit diesem Diktum die radikale Kritik am Konzept jenes „Ich“ ein, das ehedem die abendländische Philosophie dominiert hatte. In der Psychoanalyse dreigeteilt, von der Postmoderne zum Sprachspiel erklärt und von der Neurowissenschaft verworfen, scheint es dem „Ich“ schon einmal besser gegangen zu sein. Ganz anders beim diesjährigen Philosophicum Lech, das dem Thema „Das Ich - Der Einzelne in seinen Netzen“ gewidmet war.

Bereits zum 17. Mal fand in der letzten Septemberwoche im sonst als Nobel-Ski-Ort bekannten Lech am Arlberg, das äußerlich mehr Hotels als Einwohner zu zählen scheint, ein philosophisches Symposium statt. Fünf Tage lang lauschten philosophisch interessierte Zuhörer in der zum Veranstaltungssaal umfunktionierten Lecher Kirche den mannigfachen Vorträgen, die von angesehenen Denkern des deutschsprachigen Raums dargeboten wurden.

Durch meine erfolgreiche Teilnahme an der österreichischen Philosophieolympiade wurde mir - nebst fünf anderen Stipendiaten, die dieses Privileg genossen - bei kostenfreier Anfahrt, Unterbringung und Tagungsgebühr der Besuch des Philosophicums ermöglicht. Somit frönte ich bereits am ersten Tag dem traditionellen „Literarisch-Philosophischen Vorabend“, der zu den Highlights des Symposiums zählt. Der Schriftsteller Michael Köhlmeier erzählt mit wohlig sanfter Stimme Märchen bzw. Sagen, die sodann von Konrad Paul Liessmann philosophisch interpretiert werden. Zum Rahmenthema passend, berichtete Köhlmeier über die Geschichte von Narziss und seinem unrühmlichen Ende sowie den biblischen Schöpfungsmythos vom ersten Menschen.

Auch an den folgenden Tagen ging es munter weiter. K. P. Liessmann, der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, hatte ein dichtes Programm entworfen, das von einem Vortrag des allseits bekannten Buchautors Richard David Precht von der Geschichte der Subjektphilosophie, über ein anregendes sowie amüsantes Referat Robert Pfallers, der den gegenwärtigen Narzissmuss in die kulturkritische Betrachtungszange nahm, bis zum Auftritt des deutschen Hirnforschers Thomas Metzinger reichte, der „das Ich“ mit etwas hölzernen Argumenten als „logischen Müll“ bezeichnete.

Wem dies noch nicht genug war, der konnte die allabendlich geöffnete Philosophen-Bar frequentieren, um die großen Fragen der Philosophie zu klären oder resignativ jene Antwort zu geben, der schon Hegel und Nietzsche allzu gerne zusprachen, nämlich mit einem Gläschen Wein anzustoßen.

Resümierend bleibt zu sagen, dass das Philosophicum Lech eine tolle Veranstaltung ist, die sich in mehrerlei Hinsicht aufzusuchen lohnt. Einerseits konnte ich fünf Tage lang spannenden Vorträgen zuhören und all die Facetten eines Themas kennenlernen, die mir bislang verborgen waren, und andererseits traf ich viele Menschen mit ähnlichen Interessensgebieten, was zu erfrischenden Gesprächen geführt hat. Nächstes Jahr feiert das Philosophicum Lech dann mit dem nicht minder reizvollen Thema: „Schuld und Sühne. Nach dem Ende der Verantwortung“ zum 18. Mal fröhliche Urständ.

Theo Anders

7. Oktober 2013

www.philosophicum.com