Eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts
Die IPO 2017 in Rotterdam aus der Sicht von Robert Berndl-Forstner


Flughafen Wien, kurz vor Abreise. Die Koffer sind gepackt, neben den Grundlagen wie Kleidung oder Kulturbeutel befindet sich in den Taschen von uns beiden – Anna Balder aus Wien und mir – auch noch ausreichend Lernstoff für die anstehende mündliche Matura. Wir beide haben die Ehre, gemeinsam mit den Lehrern Gerhard Prade und Barbara Conrad die österreichische Delegation bei der Internationalen Philosophieolympiade 2017 in Rotterdam zu bilden.

Nach einem freien Halbtag, an dem wir gemeinsam die Gastgeberstadt besichtigen, lernen wir bei der Eröffnungszeremonie schließlich nach und nach die Teilnehmer aus aller Welt kennen. Wir sind nur zwei von etwa 100 Schülern aus Brasilien, Guatemala, Indien, Südkorea, Japan und 40 weiteren Staaten. Da versteht es sich beinahe von selbst, dass sich eine Vielzahl von spannenden Gesprächen über unterschiedliche Schulsysteme, politische Themen oder kulturelle Verschiedenheiten ergibt. Das Motto, unter das der Wettbewerb gestellt ist – „Tolerance“ – ist im Kreise dieser unglaublich freundlichen, liebenswerten und intelligenten Jugendlichen nicht bloß eine Floskel – es ist ein gemeinsam gelebtes Konzept der gegenseitigen Wertschätzung und der Achtung und Respektierung der vorhandenen Unterschiede. Bald wird aus einer Gruppe aus Fremden eine Gruppe von Freunden.

Am folgenden Tag schließlich geht der vermeintliche Hauptteil der Veranstaltung über die Bühne: das Essayschreiben. Beim Durchlesen der Themen macht sich zunächst bei so manchem Erstaunen breit: alle vier Zitate befassen sich mit dem Thema Toleranz, was laut IPO-Statuten eigentlich verhindert werden sollte. Von unserem Enthusiasmus beim Schreiben bringt uns das allerdings nicht ab. Nach einem intensiven vierstündigen Schreibblock, bei dem nicht nur ein mehrseitiger Essay zu verfassen, sondern dieser auch in einer Fremdsprache zu formulieren ist, gehen wir alle sichtlich müde aber auch erleichtert aus den Räumlichkeiten der Erasmus University Rotterdam. Der anstrengende Teil der IPO ist nun vorbei – von jetzt an beginnt der intensive interkulturelle Austausch zwischen allen Teilnehmern.

Was nun auf uns wartet sind unter anderem eine Bootstour durch den Hafen Rotterdams, dem größten Europas, oder ein „City Walk“, bei dem neben vielen interessanten Details über die Gastgeberstadt auch über die Herkunftsländer der Teilnehmer diskutiert wird – so stellt sich unter anderem heraus, dass der Inder in unserer Gruppe die 32 Grad Celsius, die an diesem Tag in Rotterdam herrschen, als „recht angenehm“ bezeichnen würde.

Die Teilnehmer könnten verschiedenartiger nicht sein: Wir alle haben unterschiedliche Hobbys, uns gefallen andere Musikstile und nicht einmal auf philosophischer Ebene sind wir uns einig. Vieles aber verbindet uns auch: Eine Weltoffenheit, die das Interesse an anderen Kulturen weckt; der Wille zu diskutieren und die Bereitschaft, sich von seinem Gegenüber auch umstimmen zu lassen; und eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts. All diese Dinge machen die gemeinsam verbrachten Tage zu einem unvergesslichen Erlebnis, und als wir bei der Abschlusszeremonie gezwungen sind, Lebewohl zu sagen und die gewonnenen Freunde wieder in die verschiedensten Erdteile zu verabschieden, da ist es für uns nebensächlich, dass wir von Rotterdam zurückfahren, ohne einen Preis gewonnen zu haben. Es überwiegt die Dankbarkeit und Freude über diese unvergesslichen Tage in den Niederlanden.

Während all diesem sind unsere Unterlagen zur Maturavorbereitung weiterhin gut verwahrt in unserem Koffer gelegen, ohne dass wir ihnen Beachtung geschenkt hätten. Zu sehr haben wir unsere Zeit in Rotterdam genossen, zu kurz waren die Nächte, als dass wir sie mit Lernen zugebracht hätten.

Nun bin ich schon einige Wochen von diesem wundervollen Erlebnis zurück und kann nur dankbar dafür sein, dass es diese Möglichkeit für junge Menschen gibt, sich nicht nur im Argumentieren von philosophischen Themen zu messen, sondern vor allem auch internationale Kontakte und Freundschaften zu knüpfen. Ich darf nur hoffen, dass es diese Veranstaltung noch lange geben wird und dass sie weiterhin Teilnehmerstaaten dazugewinnt. Alles Gute schon jetzt an die Teilnehmenden der nächsten IPO in Montenegro.

23. Juli 2017