Bericht vom 22. Philosophicum Lech
19. bis 23. September 2018


Höllische Diskussionen in himmlischen Höhen

Ein Bericht über das diesjährige 22. Philosophicum Lech zum Thema „Die Hölle. Kulturen des Unerträglichen“.

Die Hölle ist wohl jedem ein Begriff. Folglich eigentlich keine Überraschung, dass das diesjährige Philosophicum sich dieses Themas angenommen hat. Ungewöhnlicher ist da schon der Tagungsort – Lech am Arlberg. Und das liegt mit 1444 Metern Meereshöhe deutlich über dem Ort, um den die Gedanken aller Teilnehmer zwischen dem 19. und 23. September 2018 kreisten. Heiß ging es her in allerlei Diskussionen über Tod und Teufel in der Neuen Kirche von Lech, in der man (Gott sei Dank) ungestört über verschiedenste Höllen plaudern konnte.

„Die Hölle ist die Imagination der ewigen Gerechtigkeit, gespeist aus dem Geist der Vergeltung und Rache, gepaart mit dem Eingeständnis der eigenen Ohnmacht“, dieses Brett von einem Satz warf uns Konrad Paul Liessmann, seines Zeichens Organisator des Philosophicums, im Eröffnungsvortrag an den Kopf und versuchte damit eine erste Definition der Hölle. Dem Problem der Definition widmeten sich nahezu alle Vortragenden (und das waren eine ganze Reihe), wobei jeder von ihnen es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einen Aspekt der ewigen Qualen zu untersuchen. So ging es unter anderem um christliche Höllenvisionen, die Hölle in Islam und Salafismus, in der Kunst und in der Familie, die Höllen der Gewalt und der Armut und die Hölle in uns selbst.

Doch wie ein roter Faden zog sich folgende Erkenntnis durch die gesamte Veranstaltung. Wir Menschen sind, wenn es darum geht, Höllen zu erschaffen, seien sie metaphysischer oder auch diesseitiger Art, an Kreativität kaum zu überbieten. Ob sexualpathologische Einflüsse, Vergeltungssehnsüchte oder Rachegelüste – ihnen allen entspringen sowohl ein Meisterwerk wie Dantes Divina Commedia als auch moderne Foltermethoden. Oder wie Konrad Paul Liessmann es ausdrückte: „Um der Bestrafung des Bösen willen ist uns nichts gut genug.“

Doch allen höllischen Diskussionen zum Trotz waren die Besucher des Philosophicums sicherlich keine Kinder von Traurigkeit (wofür schon die atemberaubend schöne Kulisse der Bergwelt, das unfassbar leckere Frühstück und natürlich die allabendliche Philosophenbar sorgten). Umso treffender war die Aufforderung von Adelheid Kastner, welche ihren Vortrag über die psychologischen Höllen, in die wir uns selbst bugsieren und die uns allen Lebensmut rauben mit den Worten „Machen Sie nicht einen auf tot, solange Sie leben!“, schloss. Trotz der Einfachheit in Formulierung und Aussage ist mir dieser Satz als Fazit aus fünf wunderbaren Tagen in der Hölle geblieben.

Lena Wild, im September 2018