Bericht vom 20. Philosophicum Lech


„Über Gott und die Welt reden“, das kann zweierlei bedeuten: Zum einen fröhliches Plaudern über mannigfaltige Themen, zum anderen ernsthaftestes Verhandeln über die äußersten und schwierigsten Fragen des Seins. In beidem ist der Philosoph für gewöhnlich ein Meister und so konnte es gar nicht anders sein, als dass das diesjährige „Jubiläumsphilosophicum“ unter dem Motto: „Über Gott und die Welt. Philosophieren in unruhiger Zeit“ abgehalten wurde.

Das fand dieses Jahr bereits zum 20. Mal zwischen und auf den malerischen Bergen von Lech am Arlberg statt, begleitet vom sanften Rauschen der Lech. Hauptveranstaltungsort war wieder die Neue Kirche in Lech, die auf einer Anhöhe, von der aus man einen schönen Überblick über den – durch zahlreiche Skilifts und Hotels geschmückten – Ort hat, gelegen ist. Das Philosophicum selbst ist ein fünftägiges Symposium, bei dem einige der angesehensten deutschsprachigen Denker und Schriftsteller zusammenkommen, um einem breiten Publikum ihre Thesen zu aktuellen oder grundsätzlichen Sachverhalten darzutun.

In diesem Publikum befand auch ich mich dieses Jahr, welches außerordentliche Privileg mir durch meine erfolgreiche Teilnahme an der österreichischen Philosophieolympiade zusammen mit vier anderen – höchst verdienten und sympathischen Studenten aus Deutschland und Österreich – zuteil wurde. Gesponsert wurde unser Aufenthalt von der Gemeinde Lech und der Tageszeitung „Die Presse“, deren Chefredakteur wir aus nächster Nähe kennenlernen durften. (Übrigens ist in eben jener Zeitung am 27. September 2016 ein Artikel von uns Stipendiaten erschienen: diepresse.com/~Philosophicum: Luxus an Momenten - Dieser wurde von meiner Grazer Kollegin Christina Fritz verfasst.) Am ersten Tag bestieg ich den Rüfikopf, dessen majestätische Gipfellandschaft zu vielen guten Gedanken anregte und genoss dann am Abend den „Philosophisch-literarischen Vorabend“. Bei diesem erzählte Michael Köhlmeier Mythen und Bibelgeschichten, die dann von Konrad Paul Liessmann – dem wissenschaftlichen Leiter des Philosophicums – philosophisch interpretiert wurden. Dies natürlich nicht nur „mythologisch korrekt, sondern auch philosophisch einwandfrei“. Dieser heitere Vortrag war eine gelungene Einstimmung auf die weitreichenden Themen, die in den nächsten Tagen zur Sprache kommen sollten.

Gleich am Donnerstagmorgen gab es eine beeindruckende Podiumsdiskussion im sogenannten „Magna-Impulsforum“, bei der sich Necla Kelek und der Donaldist Patrick Bahners spannende Wortgefechte lieferten. Dann, am Freitag, trug Christoph Türcke aufgrund interessanter Überlegungen zu steinzeitlichen und antiken Opferkulten die These vor, dass wir „von Gott nicht los kommen, solange wir mit Geld hantieren.“ Dies stellt aber kein Problem dar, denn aufmerksame Hörer von Markus Gabriel - „Prof. M.G.“, wird er manchmal aufgrund seiner Eloquenz genannt – wissen es bereits: Die Welt, die gibt es nicht! (Diese These scheint zunächst provokant, jedoch konnte Herr Gabriel in seinem Vortrag gut begründet darlegen, wie das zu verstehen sei.) Dann entführte uns Holm Tetens – der eine faszinierende Einführung zur Kritik der reinen Vernunft verfasst hat – in die Welt der rationalen Theologie, wobei er sich besonders gegen den Naturalismus wandte. Den Abschluss bildeten Mouhanad Khorchide, mit Überlegungen zum Islam in der Moderne und Rüdiger Safranski mit einem Vortrag über den Willen zum Glauben.

Obwohl schon dieses Programm den philosophischen Nous zu Begeisterungsstürmen getrieben hat, war dem nicht genug: In den umliegenden Gasthäusern konnte ich viele nette Bekanntschaften mit ebenso begeisterten Philosophieenthusiasten wie mir schließen, unter Anderem mit einem Physiker von Infineon und einem Arzt, der einen Abschluss in Philosophie gemacht hat und leidenschaftlicher Schopenhauerianer ist. Dazu gab es noch jeden Abend die „Philosophenbar“, in der ich meine Mitstipendiaten, aber auch Prof. Liessmann besser kennenlernen konnte. Hier hatte ich auch interessante Gespräche mit den Vortragenden: So hatte ich zum Beispiel die Ehre, mit Hartmut Rosa – dem diesjährigen Tractatuspreisträger – über den Determinismus zu diskutieren.

Insgesamt kann ich sagen, dass das Philosophicum für mich eine wundervolle Erfahrung war, die mich zu vielen neuen Überlegungen über Gott und die Welt angeregt und dazu gebracht hat, Facetten an bereits bekannten Gegenständen zu sehen, die ich bisher vernachlässigt hatte. Abschließend möchte ich mit den Worten von Christina Fritz endigen: „Und als hätte jemand auf Hartmut Rosas Beschleunigung gedrückt, ist die Zeit hinfort und wir mit ihr. Was bleibt, ist die Gewissheit darüber, wie erstrebenswert es ist, sich diesem Kontrastprogramm hinzugeben und dem Philosophicum Lech einen jährlichen Besuch abzustatten.“

Michael Pfeifer

Klagenfurt, am 23. Oktober 2016

www.philosophicum.com